Selbstwert - Motor unserer Persönlichkeit

In meinem vorherigen Blogartikel sprach ich über Glaubenssätze. Es deutete sich darin bereits an, dass Glaubenssätze als eine Art des Ausdrucks unseres Selbstwerts verstanden werden können. Da unser Selbstwert ein wichtiger Bestandteil unserer Persönlichkeit und eine zentrale Rolle für die Formung unseres Selbstbilds ist, möchte ich heute gern etwas genauer auf ihn schauen. Was Selbstwert überhaupt ist, wie er entsteht, wieso wir uns mit ihm beschäftigen (sollten) und wie wir ihn stärken können – darauf möchte ich gern in diesem Blogartikel eingehen.

 

1. Was ist Selbstwert?

Ganz vereinfacht könnte man sagen, dass der Selbstwert ein Ausdruck für die Einstellung zu uns selbst ist. Damit ist er ein überaus wichtiger Baustein unserer Identität und in seiner jeweiligen Ausprägung ein Anzeiger dafür, in welchem Umfang wir uns selbst gegenüber Wertschätzung, Respekt, Akzeptanz und Liebe zuteilwerden lassen. Damit beeinflusst er maßgeblich unser Denken, Fühlen und Handeln. Im Alltag benutzen wir häufig eher den Begriff Selbstwertgefühl. Jedoch handelt es sich beim Selbstwert nicht um ein Gefühl im eigentlich Sinne. Er kann viel mehr als eine Art Selbstkonzept verstanden werden, das widerspiegelt, wie wir uns selbst bewerten. Diese Bewertung wiederum drückt sich dann in Form von Gefühlen uns selbst gegenüber aus.

 

2. Wie entsteht Selbstwert?

Grundsätzlich haben unterschiedlichste Faktoren einen Einfluss auf die Ausbildung unseres Selbstwerts. Was die zeitliche Dimension betrifft, sind sich Experten heute weitestgehend darüber einig, dass sich unser Selbstwert bereits in der frühen Kindheit zu entwickeln beginnt. Dabei prägen unsere frühen Erfahrungen und Beziehungen unser Selbstwertgefühl nachhaltig. Denn in dieser Zeit lernen wir, wie wir mit unseren eigenen Bedürfnissen und Emotionen umgehen und wie wir von anderen wahrgenommen werden. Wenn wir im Kindesalter Zuwendung, Liebe und Anerkennung erfahrenen, entwickeln wir in der Regel einen häufiger einen positiven oder auch "gesunden" Selbstwert. Wir fühlen uns angenommen und respektiert. Das hilft uns beispielsweise dabei, selbstbewusste Entscheidungen zu treffen oder darauf zu vertrauen, dass wir mit Herausforderungen adäquat umgehen können. Wenn wir hingegen wenig Beachtung, Wertschätzung oder sogar Ablehnung erfahren, neigen wir als Menschen eher dazu, einen geringeren Selbstwert zu entwickeln. Das kann dazu führen, dass wir uns minderwertig fühlen oder wenig Vertrauen in unsere Fähigkeiten haben.

 

Doch auch im Erwachsenenalter kann der Selbstwert weiterentwickelt werden. Erfolge und positive Erfahrungen haben das Potenzial, den Selbstwert zu erhöhen, während Misserfolge oder negative Erfahrungen ihn reduzieren können. Insgesamt ist der Selbstwert jedoch ein relativ stabiles Persönlichkeitsmerkmal, das nicht einfach so verändert werden kann.

 

Die beiden Psychologischen Psychotherapeutinnen Friederike Potreck-Rose und Gitta Jacob haben dazu schon von Jahren das Modell der „4 Säulen“ des Selbstwerts* entwickelt. Es soll aufzeigen, welche Komponenten den Selbstwert stützen.

 

Selbstakzeptanz – Die positive Einstellung zu sich selbst.

Selbstakzeptanz bedeutet, uns selbst so anzunehmen, wie wir sind, d. h. mit all unseren Stärken und vor allem auch mit all unseren Schwächen. Es geht also nicht darum, nach Perfektion zu streben in der Annahme, nur dann liebenswert zu sein, wenn wir frei von Fehlern sind, sondern die eigenen Schwächen ganz wie die eigenen Stärken als Teil  unserer Persönlichkeit anzuerkennen.

 

Selbstvertrauen – Die positive Einstellung zu den eigenen Fähigkeiten und Leistungen.

Wenn wir etwas erreichen und uns selbst beweisen können, dass wir in der Lage sind, eine Herausforderung zu bewältigen, fühlen wir uns stärker und selbstbewusster. Dies ermöglicht die Erfahrung eines Gefühl der Autonomie, Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmtheit. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass Autonomie nicht bedeutet, dass man alles alleine schaffen muss. Vielmehr meint es, die Kontrolle über sein eigenes Leben zu bewahren und Entscheidungen treffen zu können, die im Einklang mit den eigenen Werten und Bedürfnissen stehen.

 

Soziale Kompetenz – Das Erleben von Kontaktfähigkeit.

Dies beinhaltet die Offenheit für den Austausch mit anderen, die Fähigkeit zur Bewältigung herausfordernder kommunikativer Situationen, aber auch die Flexibilität in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Gegenübern sowie die Fähigkeit zur Regulierung von Nähe oder Distanz in der Beziehungsgestaltung.

 

Soziales Netz – Das Eingebundensein in positive soziale Beziehungen.

Hier geht es um den Aspekt sozialer Anerkennung und Zugehörigkeit. Wenn wir Teil sozialer Gruppen sind, in denen wir vorrangig die Erfahrung machen, von anderen geschätzt und respektiert zu sein, und diese Empfindungen auch selbst gegenüber den beteiligten Personen hegen, steigt unser Selbstwert.

 

Diese 4 Säulen sind eng miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Wenn einer oder gar mehrere dieser Säulen in Schieflage geraten, kann dies zu Herausforderungen im Leben führen.


3. Aus welchem Grund ist es lohnenswert sich mit dem eigenen Selbstwert zu beschäftigen?

 

Es gibt vielfältige Gründe, die für eine Auseinandersetzung mit unserem Selbstwert sprechen. Zum Beispiel kann es uns zunächst einmal dabei unterstützen, uns selbst besser kennenzulernen (z. B. durch eine Art Bestandsaufnahme unserer 4 Säulen) und auch zu verstehen. Insbesondere aber ein geringer Selbstwert kann Ängste und Unsicherheiten in Bezug auf verschiedenste soziale Situationen schüren. Selbstzweifel und mangelndes Selbstvertrauen können zu negativen Gedanken und Annahmen über uns selbst führen oder uns davon abhalten, bestimmte (für uns wichtige) Entscheidungen zu treffen. Die tendenziell problematischen Auswirkungen eines mangelnden Selbstwertgefühls sind zahlreich. Daher werfen wir nun einen Blick darauf, was wir in diesem Fall tun können.

 

4. Wie können wir den Selbstwert stärken?

 

Selbstakzeptanz fördern

Essenziell ist es, uns selbst anzunehmen und zu akzeptieren. Dazu gehört auch, uns selbst mit allem, was wir sind, zu lieben. Wir alle haben Schwächen und Fehler, das ist absolut normal und menschlich. Es geht darum, diese zu akzeptieren und anzunehmen (ja und bei Bedarf auch an diesen zu arbeiten) und sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren.

 

Selbstrespekt aufbauen

Indem wir lernen, noch besser auf unsere Bedürfnisse zu achten und diese offen zu kommunizieren, stehen wir für uns ein. Das ist nicht immer leicht, da es manchmal bedeutet, entgegen gesellschaftlicher Normen oder sozialer Erwartungen zu handeln. Gerade diese Herausforderungen kann aber eine sehr bestärkende Wirkung haben und dazu führen, dass wir dies als Leistung anerkennen. Aber auch ein umfassenderes Verständnis von unseren Werten zu erarbeiten und diese als feste Orientierungslinie für unsere Entscheidungen zu berücksichtigen, kann mit der Zeit unser Selbstwertgefühl erhöhen.

 

Selbstvertrauen stärken  und Selbstwirksamkeitserfahrungen schaffen

Indem wir uns ehrlich mit uns auseinandersetzen und/oder auch Feedback anderer einholen, können wir unsere Lernräume bzw. Potenziale identifizieren und diese gezielt ausbauen und stärken. Wir können so für uns selbst also Felder auftun, in denen wir die Möglichkeit haben, (noch mehr) positive Resonanz zu erfahren - einerseits durch uns selbst, weil wir z. B. stolz darauf sind, eine Herausforderung gemeistert zu haben, anderseits aber auch durch andere, die uns z. B. für eine bestimmte Leistung loben. Das wiederholte Erleben persönlicher Erfolge oder die wiederkehrende Erfahrung positiver sozialer Interaktionen sorgen dafür, dass wir uns selbst mehr zutrauen, mehr darauf vertrauen lernen, dass wir Unterschiedlichstes meistern können. Dabei beschreibt die Selbstwirksamkeit das Vertrauen in unsere Fähigkeiten verbunden mit der Überzeugung, dass wir unser Leben selbst gestalten können. Manchmal werden wir durch das Leben in Situationen gebracht, die es erforderlich machen, die sogenannte Komfortzone verlassen und unsere eigenen Grenzen zu erweitern. Es kann aber auch hilfreich sein, uns ab und an Herausforderungen zu stellen, unsere Handlungskompetenz zu erkennen, um uns selbst beweisen zu können, was wir in der Lage sind zu leisten.

 

Selbstfürsorge

Selbstfürsorge ist ein weiterer wichtiger Faktor, um den Selbstwert zu stärken. Hier gilt es die Anspruchshaltung uns selbst gegenüber zu überdenken, auf die Signale unseres Körpers zu hören, und uns Zeit und Raum für uns zu nehmen. Das bedeutet auch, dass wir lernen, eine gewisse Milde uns selbst gegenüber walten zu lassen, nicht zuletzt aber auch, dass wir uns um die eigenen Bedürfnisse kümmern und uns Gutes tun.

 

Selbstaffirmation

Dabei handelt es sich um Autosuggestionen, also (idealerweise) positiv formulierte Gedanken der Selbstbekräftigung, die dem Zweck diesen, unser Verhalten auf ein durch uns selbst bestimmtes Ziel auszurichten. Durch vielfaches Wiederholen der Affirmationen soll eine Selbstermutigung einsetzen und so unser Selbstvertrauen gestützt werden. Aufgeschriebene Sätze sollen übrigens wirkungsvoller darin sein, den Selbstwert zu stärken als bloße Gedanken. Ein Bespiel wäre der Satz „Ich weiß, ich kann das schaffen!“

 

 

Ein gesunder Selbstwert ist eine wichtiges Element für ein erfülltes Leben. Doch der Selbstwert, wie schon angemerkt, ist kein statisches Konzept, sondern kann verändert und gestärkt werden. Indem wir uns selbst akzeptieren, positive Selbstgespräche führen, uns selbst herausfordern, uns selbst gut behandeln und bei Bedarf Unterstützung suchen, können wir unseren Selbstwert steigern.

 

 

 

* In: Friederike Potreck-Rose, Gitta Jacob: Selbstzuwendung, Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen. – Stuttgart: Pfeiffer bei Klett-Cotta, 2003.


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