Stressmanagement & Work-Life-Balance in der VUKA-Welt

Obwohl wir heute mehr freie Zeit haben müssten als jemals zuvor in der Geschichte, kennt fast jeder von uns das Gefühl aufkommenden Stresses, insbesondere bei dem Versuch, Berufliches und Privates gut auszutarieren. Und tatsächlich nimmt aktuellen Studien zufolge (TK, Swiss Life, Gallup etc.) Stress bei Arbeitnehmenden und Studierenden stetig zu. Das erhöht Krankheitsrisiken. Laut der Krankenkassen sind insbesondere psychische Erkrankungen sowie Muskel-Skelett-Erkrankungen, die nicht selten im Zusammenhang mit Stresserleben entstehen, immer häufiger gemeldete Krankheitsbilder. An dieser Stelle muss betont werden, dass Stress eine ganz natürliche und wichtige Reaktion auf Anforderungen des Lebens darstellt, die nicht per se problematisch ist, aber durchaus problematisch werden kann, wenn der Stress als belastend oder gar gesundheitsschädigend wahrgenommen wird.

 

Dabei mag es zunächst einmal widersprüchlich anmuten: unzählige Geräte, Maschinen und Computer nehmen uns heute viele der körperlichen oder geistigen Aufgaben ab, die früher enorm viel Zeit verschlungen haben. Einfachstes Beispiel: die Waschmaschine. Das müsste doch eigentlich enorme zeitliche Ressourcen für uns freisetzen und Stress reduzieren. Tatsächlich aber beklagen immer mehr Menschen ein erhöhtes Stressniveau. Und dieser Widerspruch führt wiederum zu weiterem Druck und Stress. Denn nicht selten fragen wir uns: Liegt es an mir? Wie kann das denn sein? Weshalb bekomme ich das nicht auf die Reihe? Bin ich zu unorganisiert oder zu langsam, oder doch einfach nur nicht ausreichend stressresistent? - Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht, denn die Gründe sind komplex.

 

Das hängt nicht zuletzt mit den Dimensionen unserer heutigen Arbeits- und Lebenswelt zusammen, die seit geraumer Zeit mit Hilfe des Akronyms VUKA umrissen wird. VUKA steht dabei für Volatilität (Schwankungen oder Unstetigkeit), Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (Mehr- oder Uneindeutigkeit) und dient als griffiges Label zur vereinfachten Beschreibung der Bedingungen, unter denen wir Menschen heute leben. In dieser Welt sehen sich viele Menschen mit der Herausforderung konfrontiert, fortwährend Entscheidungen unter sich rasanter und stärker wandelnden, zunehmend unsicheren Bedingungen in Bezug auf immer unüberschaubarere Lebensbereiche treffen zu müssen, wobei eine mögliche Entscheidungsoption mehreren anderen gegenüber steht und oft unklar bleibt, welche davon die eindeutig Beste ist.

 

In dieser überaus dynamischen Umgebung wird insbesondere die Balance zwischen Arbeit und Leben zu einer immer größeren Herausforderung. Dies kann zu Stress führen, wenn keine angemessene Work-Life-Balance gewahrt wird. Denn eine solche ist nicht nur entscheidend für unsere Gesundheit, sondern damit eben auch für ein stabiles Arbeitsleben und eine allgemeine Lebenszufriedenheit. Und auch die Unternehmen profitieren ja letztlich davon, wenn ihre Mitarbeitenden weniger gestresst und stattdessen gesünder und motivierter sind, denn das führt nachweislich zu einer höheren Effizienz und Produktivität.

 

Umso wichtiger also erscheint es, sich damit auseinanderzusetzen, wie man in der VUKA-Welt einen guten Umgang mit Stress sowie eine ausgewogene Work-Life-Balance finden kann. Im Folgenden möchte ich daher kurz ein paar Strategien aufzeigen, die dabei unterstützen können.

 

 

Strategien für eine gute Work-Life-Balance

 

1. Erkennen Sie Ihr individuelles Stressverhalten

Machen Sie sich über einige Zeit Notizen zu folgenden Aspekten:

 

Ihre Stresssignale

Woran merken Sie, dass Sie gestresst sind; also wie äußert sich Stress bei Ihnen auf körperlicher und/oder psychischer Ebene?

Solche Signale können beispielsweise ein erhöhter Blutdruck, Schweißausbrüche, Kopflosigkeit oder eine erhöhte Reizbarkeit sein.

 

Ihre Stressintensität

Stress fühlt sich nicht immer gleich an. Nutzen Sie ggf. Skalen, um die Intensität des Stressempfindens zu dokumentieren (z. B. mittels Skalenwerte von 1-10, wobei 1 = sehr niedrig und 10 = sehr hoch ist).

 

Ihre Stressauslöser (Stressoren)

In welchen Situationen empfinden Sie (häufig/regelmäßig) Stress? Sind andere Personen anwesend und wenn ja, welche?

 

Ihre Stresszeiten/Stressorte

Gibt es bestimmte Zeiten und/ oder Orte, bei denen Sie eher ein erhöhtes Stressempfinden zeigen?

 

Ihre Stressreaktion/Stressstrategie

Wie reagieren Sie in der jeweiligen Situation auf den empfundenen Stress? Gibt es bestimmte Maßnahmen, die Sie ergreifen, um dem erhöhten Stresspegel entgegenzuwirken?

Eine solche Maßnahme kann z. B. sein, sich der stressauslösenden Situationen kurzzeitig (z. B. durch einen räumlichen Wechsel) zu entziehen. Eine andere Maßnahme könnte eine körperliche Reaktion sein, die mental beruhigt, wie das Schließen der Augen für einige Sekunden verbunden mit einigen tiefen Bauchatemzügen. Diese Maßnahmen können individuell sehr stark variieren.

Überprüfen Sie in jedem Fall, wie gut die Maßnahmen dazu dienen, das Stressempfinden zu reduzieren oder sogar zu eliminieren? Überlegen Sie auch, ob es in einzelnen Situationen Handlungsalternativen gibt.

 

Die Auseinandersetzung mit diesen Aspekten ist essenziell, um zu verstehen, wie sich Stressverhalten darstellt und wie es auf Sie auswirkt. Dieses Verständnis ist die Basis dafür, neue und idealerweise stressreduzierende Denkansätze für den eigenen Umgangs mit Stress entwickeln zu können.

 

2. Setzen Sie klare Grenzen

In der VUKA-Welt kann es, insbesondere für manche Berufsgruppen, zunehmend schwieriger sein, Arbeits- und Privatleben ausreichend voneinander zu trennen. Man spricht hier auch von Work-Life-Blending, also der Vermengung beider Lebenswelten. So kann man z. B. zwar schon um 14 Uhr das Büro verlassen, um das Kind von der Kita abzuholen, doch beantwortet man – Homeoffice sei Dank – am Abend, also dann, wenn die Familie eigentlich zur Ruhe kommt, noch ein paar E-Mails oder bereitet eine Präsentation vor, weil der Workload hoch ist und man morgen ja auch wieder pünktlich um 14 Uhr das Büro verlassen möchte.

 

Verstehen wir uns nicht falsch: Diese Flexibilität ist für viele ein Segen und geht nicht automatisch einher mit einem erhöhtem Stresspegel. Jedoch für Menschen, die diesen Stress negativ wahrnehmen, empfiehlt es sich, klare Grenzen zwischen den Sphären zu ziehen. So kann es helfen, feste Arbeitszeiten zu definieren und diese auch einzuhalten. Um im Feierabend wirklich abschalten zu können, könnte es zudem zielführend sein, die Kommunikationsmittel, die (auch) beruflich genutzt werden, auszuschalten. Wer im Homeoffice tätig ist, schafft sich zudem, wenn möglich, einen Platz, der möglichst abgegrenzt von Wohnbereichen ist, die v. a. zur Entspannung genutzt werden. So kann es Ihnen gelingen, auch eine räumliche Abgrenzung von Arbeits- und Privatleben zu etablieren.

 

3. Priorisieren Sie Aufgaben und Ziele

Setzen Sie klare Prioritäten sowohl in Ihrem Arbeits- als auch im Privatleben, z. B. mit Hilfe des Eisenhowerprinzips. Identifizieren Sie die Aufgaben und Ziele, die wirklich wichtig oder dringlich sind. Delegieren Sie Aufgaben, wenn möglich und das nicht nur im Beruf, sondern auch im Privatleben. Zur Haushaltsarbeit oder zur Organisation der WG, Partnerschaft oder Familie können alle Beteiligten einen Beitrag leisten. Vermeiden Sie, insbesondere wenn Sie bereits ein stärkeres Stressempfinden bei sich bemerken, unnötigen Perfektionismus, ganz nach dem Motto „done is better than perfect“.

 

4. Nutzen Sie Technologie sinnvoll

Technologie kann sowohl Segen als auch Fluch sein. Nutzen Sie diese sinnvoll, um Ihre Work-Life-Balance zu unterstützen und Stress zu reduzieren. Der App-Markt bietet unzählige Tools zur Vereinfachung der Arbeitsorganisation, der Kommunikation im Team oder der Verbesserung des Zeitmanagements. Apps zur Stressbewältigung, geführte Meditationen als Podcast oder Apps mit Fitness- und Ernährungsinhalten können ebenfalls nützliche Ergänzungen sein. Ein Zuviel an digitalen Unterstützungslösungen kann jedoch wiederum zu einen erhöhten Stresspegel führen. Prüfen Sie aus diesem Grund, welche Tools sich wirklich als hilfreich für Sie ganz persönlich erweisen. Die Königsdisziplin, da vermutlich am effektivsten, ist es aber, das Smartphone, insbesondere nach Feierabend, auch einfach mal außer Reichweite zu legen oder über den Tag ganz bewusst handyfreie Zeiten zu initiieren.

 

5. Pflegen Sie Ihre soziale Beziehungen

Ihre Beziehungen zu Familie und Freunden tragen einen wichtigen Teil zu Ihrer Work-Life-Balance bei. Nehmen Sie sich Zeit für Menschen und Dinge, die Ihnen gut tun und damit Energie geben. Dieser Punkt mag überaus selbstverständlich klingen, doch bekommen Treffen mit Freunden oder der Gang zum Feierabendsport leider schnell einen optionalen Charakter, wenn sehr viel los ist und sind als "nicht verpflichtend" oftmals das erste, was dann hinten hinüberfällt.

 

6. Denken Sie an Ihre Selbstfürsorge

Achten Sie darauf, für sich selbst zu sorgen. Planen Sie Zeit für sich in Ihren Alltag ein und seien Sie dabei verbindlich sich selbst gegenüber. Schenken Sie Ihrem Körper ausreichend Schlaf und nehmen Sie sich Zeit, für eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung. All das hat großes Potenzial ganz wesentlich zu Ihrer physischen und mentalen Gesundheit beizutragen.

 

Fazit

Stressbewältigung ist eine fortlaufende Reise. Dabei sind die Strategien im Umgang mit Stress sehr individuell und werden sich im Laufe der Zeit auch wandeln, um sich veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Dies erfordert viel Achtsamkeit im Umgang mit sich und anderen, hat aber auch das Potenzial, die eigene Widerstandskraft zu stärken und eine ausgewogene Work-Life-Balance zu erreichen oder zu erhalten.


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